Weltpremiere bei Lebertransplantation – Zürcher Erfindung rettete ihm das Leben | Tages-Anzeiger

2022-09-17 14:02:20 By : Ms. Elena Ni

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Eigentlich hätte der 62-jährige Krebspatient mit der Blutgruppe 0 keine Chance gehabt, innerhalb einer nützlichen Frist in der Schweiz eine Leber zu bekommen. «Er hätte ungefähr ein Jahr warten müssen, bis er ein Spenderorgan erhalten hätte», sagt der Lebertransplantationsexperte Pierre-Alain Clavien vom Universitätsspital Zürich. Der Tumor sei auch nach lokaler Chemotherapie sowie Verödung erneut aufgetreten. Zudem sei das Gewebe der Leber durch eine Zirrhose zunehmend zerstört worden.  

Doch im Mai 2021 konnte der krebskranke Mann im Rahmen eines bewilligten individuellen Heilversuchs eine Leber transplantiert bekommen, die normalerweise aufgrund mangelnder Qualität nicht verpflanzt werden würde. «Das Organ wurde von allen Transplantationszentren abgelehnt, da es einen Tumor unklarer Natur vorwies und ein persistierender Infekt vorlag», erklärt Clavien.

Nach ethischen Abklärungen und Aufklärung des Patienten über mögliche Risiken hätten sie erstmals weltweit eine normalerweise nicht mehr zu verwendende Spenderleber drei Tage ausserhalb des Körpers in einer Maschine vollständig regeneriert und danach transplantiert. Dies sei eine Weltpremiere, freut sich der Chirurg.

Über diesen aussergewöhnlichen Fall berichtet das 14-köpfige Zürcher Team, bestehend aus Medizinern, Ingenieuren und einer Biochemikerin, jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature Biotechnology» . Der sterbenskranke Patient, der dankbar für das lebensrettende Organ sei, habe wenige Tage nach der Transplantation das Spital bereits verlassen können. Er muss derzeit nur noch gering dosierte Immunsuppresiva zur Verhinderung einer Abstossung des transplantierten Organs nehmen.

«Wir haben mit unserer Publikation so lang gewartet, um seinen Gesundheitszustand ein Jahr lang genau zu beobachten», sagt Clavien. Es wäre fatal gewesen, die Technologie voreilig zu feiern, wenn der Patient vielleicht zwei Monate nach der Transplantation gestorben wäre. Doch dem Mann gehe es heute, ein Jahr nach der OP, weiterhin gut, und er sei wohlauf.

Erst durch eine selbst entwickelte, den menschlichen Körper imitierende Maschine konnte die Spenderleber durch Zugabe von diversen Medikamenten, darunter insbesondere auch Antibiotika, tatsächlich wieder fit gemacht werden. Bereits eine Studie vor zwei Jahren zeigte, dass das multidisziplinäre Team vom Universitätsspital Zürich, der ETH Zürich und der Universität Zürich eine Leber sogar eine Woche mithilfe der sogenannten Perfusionsmaschine am Leben erhalten kann.

Das Hightechgerät liefert dem Spenderorgan ideale Bedingungen: Eine Pumpe dient als Herzersatz, ein Oxygenator ersetzt die Lungen und eine Dialyseeinheit die Nieren. Daneben übernehmen zahlreiche Hormon- und Nährstoffinfusionen die Funktionen des Darms und der Bauchspeicheldrüse. Die Apparatur ist so ausgetüftelt gemacht, dass sie die Spenderleber auch noch wie das Zwerchfell im menschlichen Körper im Takt der Atmung bewegt.  

«Ohne die Transplantation hätte der einstige Tumorpatient nur eine Überlebensprognose von wenigen Monaten gehabt.»

Die mehrtägige Perfusion, also die maschinelle Durchblutung des Spenderorgans, erlaubte im aktuellen Fall eine zielgerichtete antimikrobielle Therapie gegen die vorhandene Infektion mit Bakterien und Pilzen. Zudem war es auch möglich den vorhandenen Tumor grossflächig zu entfernen und gleichzeitig langwierige Labor- oder Gewebeuntersuchungen ohne Zeitdruck durchzuführen. Unter normalen Umständen ist dies nicht möglich, weil Organe mit der herkömmlichen Lagerung auf Eis und den handelsüblichen Perfusionsmaschinen lediglich während rund 12 Stunden aufbewahrt werden können.  

«Ohne die Transplantation hätte der einstige Tumorpatient nur eine Überlebensprognose von wenigen Monaten gehabt», sagt Clavien. Mit der neuen Technologie hoffe er, dass in Zukunft auch Organe mit mangelnder Qualität noch transplantiert werden könnten. Denn generell habe es in der Schweiz zu wenig Spenderorgane. Allein im vergangenen Jahr hätten 233 Personen auf eine Spenderleber gewartet, aber nur 151 von ihnen hätte eine erhalten können.